E. Baltensperger u.a.: Swiss Monetary History since the Early 19th Century

Cover
Titel
Swiss Monetary History since the Early 19th Century.


Autor(en)
Baltensperger, Ernst; Kugler, Peter
Reihe
Studies in Macroeconomic History
Erschienen
Cambridge 2017: Cambridge University Press
Anzahl Seiten
244 S.
von
Ulrich Woitek

Wie reagiert eine kleine offene Volkswirtschaft in Europa auf die wechselnden Rahmenbedingungen im 19. und 20. Jahrhundert? Unter den vielen Aspekten, unter denen man diese Frage untersuchen könnte, behandelt das Buch von Ernst Baltensberger und Peter Kugler die Geldgeschichte. Der erste Teil des Buches liefert eine nützliche Übersicht der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung seit 1848. Der zweite und dritte Teil enthalten die eigentliche Analyse, beginnend mit einer Darstellung der Geldgeschichte im relevanten Zeitraum. Darauf aufbauend folgt eine Untersuchung einer Liste von Kernthemen, unterstützt durch zeitreihenökonometrische Ergebnisse, wo immer die Datenlage es zulässt. Das Buch stellt insgesamt eine sehr interessante Fallstudie dar, welche die Erkenntnisse der Geldtheorie und -politik eindrucksvoll am Beispiel der Schweiz illustriert.

Das Geldsystem der Schweiz war erheblichen Änderungen unterworfen, wobei die Organisation der Geldversorgung und des Bankensystems auf die Anforderungen reagierte, welche die wirtschaftliche Entwicklung und die internationale Vernetzung stellten. Zunächst bis 1850 ohne eigene nationale Währung mit freier Währungskonkurrenz, zentralisierte auch die Schweiz zunehmend die Geldversorgung, wobei es im europäischen Vergleich relativ spät zur Zentralbankgründung kam – die Schweizerische Nationalbank (SNB) nahm ihre Tätigkeit erst 1907 auf. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, die beiden Weltkriege und die Grosse Depression bedeuteten grosse Herausforderungen an die Geldpolitik, und auch die jüngere beziehungsweise jüngste Geschichte blieb turbulent.

Vor diesem Hintergrund untersuchen Baltensperger und Kugler Fragen wie die nach den Konsequenzen der Wahl des Wechselkurssystems. Ein fixer Wechselkurs wie unter dem klassischen Goldstandard oder der frühen Phase des Bretton-Woods-Systems hat erhebliche Vorteile, erfordert aber in hohem Masse internationale Koordination. Weil das unter Umständen eine schwer zu erfüllende Anforderung ist, kann die Bewahrung geldpolitischer Souveränität Vorteile bringen. Die Autoren ziehen hier den Vergleich zwischen der Lateinischen Münzunion des 19. Jahrhunderts (hier lernt man, wie eine Währungsunion unter einem metallischen Standard funktioniert) und der Europäischen Währungsunion.

Ein weiterer Schwerpunkt der Untersuchung liegt in der Organisation des Geldangebots. Wie funktioniert ein Währungssystem ohne Zentralbank und was ist die Bedeutung von Konkurrenz in der Geldversorgung? Ohne nationale Währung (vor 1850) war es die Entscheidung der einzelnen Banken, welche Währungsbasis man wählt – eines der wenigen Beispiele für die von Hayek vorgeschlagene Währungskonkurrenz. Damit stellt das die Geldgeschichte der Schweiz einen idealen Fall da, solche Ideen zu untersuchen. Die Free-Banking-Phase (bis 1881) wird in der Literatur unterschiedlich interpretiert: Auf der einen Seite ist die zur Debatte stehende Periode durch relative Stabilität gekennzeichnet (wobei die Frage nach der Kausalität offenbleibt), auf der anderen Seite ist ein solches System intransparent, schwerfällig und daher nicht in der Lage, den Anforderungen einer sich modernisierenden Volkswirtschaft gerecht zu werden. Zentralbankgründungen in einer Vielzahl von Volkswirtschaften im Verlauf des 19. Jahrhunderts legen nahe, dass die Zentralisierung der Geldversorgung Vorteile brachte, namentlich mehr Stabilität und Effizienz, vor allem aber die Sicherstellung eines Kreditgebers in letzter Instanz – dies war auch für die Schweiz der Fall, wie die Autoren zeigen.

Was bestimmt überhaupt den «Erfolg» einer Währung? Als vielleicht wichtigste Lehre aus dem Fall der Schweiz weisen Baltensperger und Kugler auf die Bedeutung der Interaktion zwischen der Stabilität des politischen Systems und der verschiedenen Komponenten der Wirtschaft hin. Damit verbunden ist die Entstehung der schweizerischen «Niedrigzinsinsel»: Während der Schweizer Franken im 19. Jahrhundert eher «normal» war, markiert der Erste Weltkrieg den Wendepunkt zu einer Safe-Haven-Währung. Baltensperger und Kugler diskutieren schliesslich die eher geringe Bedeutung des Finanzsektors für die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Die Autoren schlussfolgern, dass auch für den wachsenden Erfolg des Finanzsektors die politische und wirtschaftliche Stabilität eine Voraussetzung war.

Zitierweise:
Woitek, Ulrich: Rezension zu: Baltensperger, Ernst; Kugler, Peter: Swiss Monetary History since the Early 19th Century, Cambridge 2017. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 71 (1), 2021, S. 185-186. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00080>.

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